Der jüngste Einbruch an den Börsen hat ein Thema in den Fokus gerückt, das an den Kapitalmärkten lange Zeit nahezu vollständig ignoriert wurde: die Möglichkeit einer bevorstehenden Rezession der US-Wirtschaft. Angesichts der starken Straffung der Geldpolitik durch die amerikanische Notenbank seit März 2022 ist dieses Szenario eigentlich naheliegend. Denn höhere Zinsen bremsen die gesamtwirtschaftliche Nachfrage. Bislang hat die restriktive Geldpolitik der Fed, eingesetzt zur Eindämmung der Inflation, die Konjunktur jedoch nicht geschwächt. Der Grund lag zum einen in Überschuss-Ersparnissen aus den Zeiten der Corona-Pandemie, von denen der private Konsum lange Zeit zehren konnte. Zum anderen wies der amerikanische Arbeitsmarkt – ebenfalls als Folge der Pandemie – erhebliche Verzerrungen auf. Diese führten dazu, dass sich die schwächere Nachfrage nach Arbeitskräften nicht in einem Anstieg der Arbeitslosenquote bemerkbar machte. Die expansive Fiskalpolitik und insbesondere die hohen Anreize für Investitionen in „grüne“ Technologien kamen als zusätzlicher konjunkturstimulierender Faktor hinzu.
In den zurückliegenden Monaten hat sich die Lage nun geändert: Seit März ist die Arbeitslosenquote viermal in Folge um insgesamt 0,5 Prozentpunkte gestiegen. Zusammen mit einer sinkenden Zahl offener Stellen, höheren Erst- und Folgeanträgen auf Arbeitslosenhilfe und einem verlangsamten Lohnwachstum deutet dies durchaus auf eine bevorstehende Rezession hin. Sicher ist der Befund allerdings nicht: Auffällig ist das anhaltend geringe Niveau der betriebsbedingten Kündigungen. Der Anstieg der Arbeitslosenquote resultiert also vor allem daraus, dass die Zahl der Arbeitssuchenden weiter steigt, die Unternehmen aber immer weniger Neueinstellungen vornehmen. Der Anstieg der Arbeitslosigkeit dürfte sich weiter fortsetzen, könnte sich aber insgesamt langsamer vollziehen als in früheren Konjunkturzyklen.
Die zu erwartende Folge wäre in jedem Fall ein schwächeres Konsumwachstum. Die Überschuss-Ersparnisse der Haushalte sind inzwischen weitgehend aufgebraucht, und die Sparquote ist auf ein niedriges Niveau von weniger als 3,5 Prozent gesunken. Zudem ist die Gefahr, seinen Job zu verlieren und nicht sofort einen neuen zu finden, gestiegen. Dies dürfte zu mehr Vorsorge-Ersparnis führen. Bislang ist der private Konsum allerdings noch überwiegend stabil. Wie schnell sich dies ändert, bleibt abzuwarten. Eine schwächere Nachfrage der Haushalte hätte ihrerseits wiederum negative Wirkungen auf den Arbeitsmarkt. Damit würde ein wirtschaftlicher Abschwung unweigerlich näher rücken. Diese Rezession dürfte angesichts fehlender gravierender Ungleichgewichte in der Gesamtwirtschaft zwar moderat ausfallen. Für die ohnehin schwächelnde europäische Wirtschaft wären dies dennoch schlechte Nachrichten.
Der Glaube, dass die Fed mit ihren im September einsetzenden Zinssenkungen eine solche Rezession aufhalten könnte, ist unrealistisch: erstens wegen der Wirkungsverzögerungen der Geldpolitik von mindestens einem halben Jahr und zweitens wegen des begrenzten Umfangs von Zinssenkungen in einem Umfeld, in dem die Inflation noch immer über der 2%-Marke liegt. Dass die Fed sich ausschließlich auf das Beschäftigungsziel konzentriert und mit drastischen Zinssenkungen in kürzester Zeit einen Wiederanstieg der Inflation riskiert, ist nicht anzunehmen. Es ist also Zeit, sich auf eine erneute Abschwächung der weltwirtschaftlichen Dynamik durch eine US-Rezession einzustellen.