Die globalen Börsen verzeichnen zum Jahresende beeindruckende Gewinne. Weder geopolitische Spannungen noch das schwache Wachstum in China oder die Dauerflaute der deutschen Wirtschaft konnten den Bullenmarkt bremsen. Selbst die Turbulenzen am japanischen Währungs- und Aktienmarkt, ausgelöst durch die Zinswende der japanischen Notenbank, wurden schnell überwunden. Getragen wird das Börsenhoch wie so oft von den starken US-Märkten. Die US-Wirtschaft bewegte sich nahezu das gesamte Jahr in einem „Goldilocks“-Umfeld: weder zu stark für Inflationsrisiken noch so schwach, dass Rezessionsängste aufkamen. Dieses Szenario, das an der Börse besonders geschätzt wird, steigerte die Risikobereitschaft an der Wall Street. Zudem lockerten alle wichtigen Notenbanken, außer der Bank of Japan, ihre Geldpolitik und verbesserten so das globale Zinsumfeld. Nicht zuletzt trieb der KI-Hype das Gewinnwachstum vieler Unternehmen an und befeuerte zugleich die Erwartungen auf zukünftige Gewinnsteigerungen in den kommenden Jahren und Jahrzehnten. Letzteres ist für die Marktteilnehmer besonders wichtig, da an der Börse bekanntlich die Zukunft eingepreist wird.
Trotz der guten Stimmung an den Märkten dürfen Risiken nicht übersehen werden. Die aktuellen Aktienkurse liegen im historischen Vergleich deutlich über den erzielten Unternehmensgewinnen und sind auch im Verhältnis zu den Anleihemärkten ungewöhnlich hoch. Zudem bleiben geopolitische Risiken schwer kalkulierbar, insbesondere durch mögliche Eskalationen im Nahen Osten und die wachsenden Spannungen zwischen dem nuklear bewaffneten Nordkorea und Südkorea.
Die anstehenden US-Präsidentschaftswahlen könnten kurzfristig für Marktschwankungen sorgen. Zwei Szenarien sind wahrscheinlich: Ein Sieg von Donald Trump mit knapper republikanischer Mehrheit im Kongress oder ein Wahlsieg von Kamala Harris ohne demokratische Kongressmehrheit. Beide Szenarien würden die Märkte nicht nachhaltig belasten. Bei Trump könnte eine Deregulierungs- und Steuersenkungspolitik folgen, während Harris aufgrund fehlender Unterstützung im Kongress eingeschränkt wäre. In beiden Fällen bleibt das US-Staatsdefizit hoch, was perspektivisch höhere US-Marktzinsen bedeutet. Ein weniger wahrscheinliches Risikoszenario, bei dem Trump gewinnt, aber keine Kongressmehrheit hat, würde zu einer protektionistischen Handelspolitik führen und besonders exportabhängige Märkte wie China und die EU belasten.