Am 2. Februar ist jedes Jahr Murmeltiertag in Punxsutawney, Pennsylvania. Ob der possierliche Nager Phil nach dem Winterschlaf seinen Schatten sieht oder nicht, entscheidet darüber, ob der Winter noch etwas anhält oder endlich der Frühling kommt. Ein Frühjahrsaufschwung oder wenigstens ein Silberstreif der Hoffnung am Horizont – auch die meisten Unternehmen in Deutschland dürften kaum etwas sehnlicher erwarten.
In wirtschaftlichen Dingen stellt sich ein solcher Aufschwung allerdings nicht von selbst ein – jedenfalls nicht dann, wenn die Wirtschaft in einer tiefgehenden strukturellen Krise feststeckt. Und das ist in Deutschland der Fall, wie inzwischen (fast) jeder eingesehen haben sollte. Analysten, die das wirtschaftliche Geschehen beobachten, erleben bereits seit Jahren ihre ganz eigenen Murmeltiertage. Im Dezember 2023 (sic) schrieben wir: „Für 2024 ist nur mit einem marginalen Anstieg der Wirtschaftsleistung zu rechnen. Deutschland droht damit in einen verhängnisvollen Kreislauf zu geraten: Die dann seit 5 Jahren andauernde Wirtschaftsflaute verschärft bestehende Verteilungskonflikte und bremst die Möglichkeiten zur finanziellen Abfederung notwendiger Strukturanpassungen, und dies wiederum bremst die wirtschaftliche Dynamik weiter. Es bleibt zu hoffen, dass die Ampel-Regierung noch die Kraft findet, mittels einer systematischen Verbesserung der allgemeinen Rahmenbedingungen diesen Knoten zu durchschlagen.“
Inzwischen wissen wir, dass die Ampel-Regierung diese Kraft nicht mehr hatte und folgerichtig unter anderem daran zerbrochen ist. Ansonsten würde es genügen, im obigen Text die Jahreszahl 2024 durch 2025 zu ersetzen. Anzupassen wäre gegebenenfalls noch, dass wir inzwischen im damals drohenden verhängnisvollen Kreislauf angekommen sein dürften. Umso dringlicher ist es, dass die neue Bundesregierung, in welcher Zusammensetzung auch immer, wirtschaftspolitischen Strukturreformen endlich Priorität einräumt und sie vor allem umsetzen kann.
Einige wenige Zahlen verdeutlichen die Dramatik der Lage: Seit Ende 2019 ist die US-Wirtschaft real, also ohne inflatorische Effekte, um etwa 12 Prozent gewachsen, im Euroraum betrug das Plus magere 4 Prozent. Und in Deutschland: Null. Mit der US-amerikanischen Wachstumsdynamik wäre unsere Wirtschaftsleistung real in jedem Quartal um etwa 100 Milliarden Euro höher, als es tatsächlich der Fall ist. Hätten wir wenigstens den europäischen Durchschnitt erreicht, wären es immer noch etwa 38 Milliarden Euro – pro Quartal, wohlgemerkt. Bei einer Staatsquote von knapp 50 Prozent ist unmittelbar klar, dass viele mit dem Staatshaushalt verbundenen Verteilungsdiskussionen erheblich leichter zu führen und manche gar nicht notwendig wären.
Die Liste der Handlungsnotwendigkeiten ist oft beschrieben worden – sie reicht von steuerlichen Entlastungen für Bürger und Unternehmen über eine Begrenzung der allgegenwärtigen Bürokratie, die längerfristige Sicherung der Solidität der Sozialversicherungssysteme, stärkere Investitionen in Bildung und digitale Infrastruktur bis hin zu einer Haltung, die in Neuem nicht zuerst die Risiken, sondern vor allem die Chancen wahrnimmt. Letzteres enthält eine Aufforderung nicht nur an Politiker, sondern vor allem an jeden Einzelnen auch im jeweiligen beruflichen Umfeld.
Der Tag des Murmeltiers liegt drei Wochen vor einer wegweisenden Bundestagswahl. Das mag Ansporn sein, die wirtschaftliche Geschichte Deutschlands nicht so ablaufen zu lassen wie das Leben von Phil Connors, der im einschlägigen Film „Und täglich grüßt das Murmeltier“ in einer Zeitschleife gefangen ist. Denn für den Wohlstand in Deutschland wären die Folgen in einer sich rasant ändernden Welt verheerend.